Mit der Berufung der Ökonomin Veronika Grimm in ihren persönlichen Beraterkreis sendet Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche ein deutliches Signal für eine marktliberale Wirtschaftslinie – eine Entscheidung, die sowohl inhaltlich zu hinterfragen ist als auch politisch für erhebliche Diskussionen innerhalb der Regierung sorgen dürfte: Frau Grimm befürwortet die Zurückhaltung des Staates selbst in Transformationsphasen und steht aufgrund ihrer Doppelfunktion im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und im Aufsichtsrat des börsennotierten Energiekonzerns Siemens Energy seit Langem in der Kritik. Der Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und unabhängiger wissenschaftlicher Arbeit ist hier vorprogrammiert.
„Wer sich freiwillig für eine Beraterin entscheidet, die auf der Gehaltsliste eines Energiekonzerns steht und sich öffentlich gegen gezielte Fördermaßnahmen wie dem sogenannten Social Leasing für Elektroautos für Haushalte mit geringem Einkommen argumentiert, sendet eine klare Botschaft: Sozialpolitische Aspekte spielen im Wirtschaftsministerium der CDU kaum eine Rolle, wirtschaftliche Verstrickungen werden ignoriert“, erklärt Julian Joswig, Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied der Grünen Bundestagsfraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages. „In einer Zeit wachsender sozialer Spannungen ist das ein fatales Signal.“
Grimms Berufung steht im offenen Kontrast zur Linie von Finanzminister Klingbeil, der mit Jens Südekum einen ökonomischen Berater berufen hat, der einen klaren Fokus auf eine aktive, staatliche Industriepolitik und soziale Ausgleichsmechanismen legt. Hier prallen zwei diametral entgegengesetzte ökonomische Weltanschauungen innerhalb der Bundesregierung aufeinander – ohne erkennbare Abstimmung.
Insgesamt müsse man sich die Frage stellen, welche Rolle der Sachverständigenrat mit seinen fünf „Wirtschaftsweisen“ noch spielt, wenn einzelne Bundesministerien sich ihre eigenen Beratergremien aufbauen. Neben Veronika Grimm hat Wirtschaftsministerin Reiche auch Volker Wieland und Justus Haucap als externe Berater in ihr Haus geholt, letzterer hatte sich in der Vergangenheit im Auftrag einer Lobbyorganisation kritisch gegenüber der Energiewende geäußert. „Die deutsche Wirtschaftspolitik darf nicht von Lobbyisten gelenkt werden, es braucht ein starkes, unabhängiges Beratergremium, das sich in seiner Mehrheit aus unabhängigen Stimmen der Wirtschaftswissenschaften zusammensetzt“, so Julian Joswig abschließend.