Die Niederlande haben gewählt! Für die gestrige Wahl der Zweiten Kammer, des niederländischen Parlaments, waren rund 13 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Anlässlich der Wahl bin ich in meiner Funktion als Berichterstatter für die Niederlande im Europaauschuss nach Den Haag gereist, um mich mit dem Deutschen Botschafter Nikolaus Meyer-Landrut über die politische Lage in unserem Nachbarland sowie über die deutsch-niederländischen Beziehungen auszutauschen.
Anschließend ging es für mich weiter nach Rotterdam, wo ich an der Wahlparty von GroenLinks-PvdA teilnahm, dem grün-roten Wahlbündnis mit dem ehemaligen EU-Kommissar Frans Timmermans als Spitzenkandidaten. Der Wahlabend in Rotterdam verlief angesichts der eintrudelnden Ergebnisse enttäuschend, GroenLinks-PvdA blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück und musste Verluste hinnehmen. Ansonsten war der Abend geprägt von einem engen Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der linksliberalen D66 und der rechtsextremen PVV von Geert Wilders. Die D66 konnte dabei überraschend viele Sitze gewinnen und wird aller Voraussicht nach die nächste Regierung anführen, während die PVV deutliche Verluste erlitt und keine Perspektive auf eine erneute Regierungsbeteiligung hat.
Meine drei zentralen Erkenntnisse aus der gestrigen Wahl in den Niederlanden:
- Erfolgreiche Mobilisierung der sozialliberalen D66: Die Partei setzte auf eine positive und proeuropäische Agenda, die nicht nur traditionelle Wähler:innen aus dem progressiven Spektrum, sondern auch gemäßigte Mitte- und Wechselwähler:innen ansprach. Ein klarer Fokus auf Bildung, Klimapolitik, gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine kompromissbereite Regierungsbereitschaft prägte ihren Wahlkampf. Der charismatische Spitzenkandidat Rob Jetten vermittelte die Botschaft eines Erneuerers, der eine konstruktive und zukunftsorientierte Politik verfolgt.
- Eine klare Abgrenzung zu Rechtspopulismus zahlt sich aus: Alle großen demokratischen Parteien schlossen eine Koalition mit der rechtsextremen PVV von Geert Wilders im Vorfeld klar aus, auch die konservativen und rechtsliberalen Kräfte. Sie zeigten eine klare Haltung gegen Hass, populistische Vereinfachungen und rechtsextreme Positionen. Stattdessen betonten sie Werte wie Rechtstaatlichkeit, Zusammenhalt und konstruktive Lösungsorientierung im Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen. Die PVV verlor deutlich und hat keine Chancen auf eine erneute Regierungsbeteiligung.
- Die fusionierte Partei GroenLinks-PvdA konnte diesmal nicht überzeugen: Das enttäuschende Ergebnis für GroenLinks-PvdA bei der Parlamentswahl lässt sich vor allem durch ein schwaches Momentum im Wahlkampf, geringe Mobilisierung ihrer Stammwähler:innen sowie fehlende Fokussierung auf zentrale Wahlkampfthemen erklären. Die Zustimmung zum Spitzenkandidaten Frans Timmermans blieb hinter den Erwartungen zurück und viele Wechselwähler:innen zogen im Vergleich zur Wahl 2023 dieses Mal linksliberale (D66) oder christdemokratische Kräfte (CDA) vor. Es bleibt abzuwarten, wie sich die fusionierte grün-rote Partei ohne Frans Timmermans weiterentwickeln wird, er erklärte im Laufe des Abends seinen Rückzug.
Was können wir aus den Wahlen in Niederlanden lernen?
Zunächst einmal finde ich den Erfolg der D66 bemerkenswert und sehe hier auch einige Anknüpfungspunkte für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Eine positive Erzählung und klare Programmatik sind wichtig; als GRÜNE müssen wir für eine glaubwürdige und konkrete Politik für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Europa stehen – ähnlich wie D66 dies mit einem modernen, sozialliberalen Profil erfolgreich vorgeführt hat. Zu viel negative oder zu generische Botschaften können Wähler:innen abschrecken. Die D66 – aber auch die CDA – hat erfolgreich auch gemäßigte und wechselwillige Wähler außerhalb ihres klassischen Milieus erreicht. Es bleibt entscheidend, mit neuen Ideen und Pragmatismus zu überzeugen, ohne Werte und politische Kernthemen zu verwässern und somit Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Zudem stärkt eine konsequente, inhaltliche und werteorientierte Distanzierung von rechtsextremen und populistischen Kräften das Vertrauen der Wählerschaft in progressive Parteien als stabilen demokratischen Anker. Und nicht zuletzt hat die Wahl in den Niederlanden gezeigt, wie wichtig personalisierte Führung ist und welche Rolle die Spitzenkandidat:innen spielen. Ihre Rolle ist wichtig, um politisches Vertrauen und Führungskraft zu vermitteln – ohne Authentizität, Ehrlichkeit und Sympathie lässt sich keine Wahl gewinnen.
Mein Fazit nach vielen Gesprächen und einem spannenden Wahlabend
Die Wahl in den Niederlanden hat gezeigt, dass progressive Parteien dann Erfolge erzielen, wenn sie eine klare, optimistische Erzählung bieten, verbindliche politische Lösungen für drängende Themen formulieren und sich deutlich von populistischen Kräften abgrenzen. Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können wir von der Strategie und Kommunikation der D66 lernen, wie sie Fortschrittswillige außerhalb der Kernklientel gewinnen und aktivieren, ohne den eigenen Wertekompass zu verlieren. So lassen sich gesellschaftliche Spaltungen überwinden und demokratische Mehrheiten für echten Fortschritt schaffen.




