Klimapolitik als Kern unserer zukünftigen Außenpolitik

Freitag, der 13. – ein Datum, das wie kein anderes für Unglück steht. Eigentlich bin ich für solchen Aberglauben nicht zu haben. Doch vor knapp einem Jahr, am 13. März 2020, erlebten wir einen wahrhaftig unglücklichen Freitag. Ich saß im Zug von Berlin nach Boppard, als im Laufe des Vormittags eine Push-Nachricht nach der nächsten meinen Handybildschirm füllte. Die Corona-Pandemie war nun auch vollends in Deutschland angekommen; Panik breitete sich aus, Schulen wurden geschlossen und das öffentliche Leben im Folgenden Stück für Stück heruntergefahren. Seitdem sind wir offiziell im “Krisenmodus” – doch waren wir das nicht schon vorher? 

Mit dem Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie hat sich die politische Agenda stark verschoben. Neben den gesundheitlichen Sorgen hat das Virus eine komplizierte Verkettung von sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Problemen mit sich gebracht. Die ökologischen Probleme, allen voran der rasant voranschreitende Klimawandel, das Waldsterben und der Verlust von Biodiversität sind zunehmend in den Hintergrund geraten. Es fällt mir schwer, die Folgen der Corona-Pandemie mit den ökologischen Problemen unserer Zeit zu vergleichen. Der Kampf gegen das Coronavirus ist ein Sprint, der Umgang mit dem Klimawandel ein Marathon. 

Beide Herausforderungen bedingen für einen effektiven Umgang internationaler Kooperationen. Sei es bei der Beschaffung von medizinischen Hilfsgütern, der Impfstoffforschung und -verteilung, oder der klinischen Versorgung von Schwerkranken – die vergangenen 12 Monate haben auf vielfältige Art bewiesen, dass das Virus der gemeinsame Gegner und eine Bekämpfung im kollektiven Interesse ist. Um eine Klimakatastrophe zu verhindern und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss die Menschheit ebenfalls vieles gemeinsam anpacken – über alle Staatsgrenzen hinaus. Dass Deutschland den Ausstieg aus der Braunkohle einleitete (obgleich das Ausstiegsdatum viel zu spät ist) und seit Anfang 2021 einen CO2-Preis hat (welcher zu niedrig ist), sind notwendige Aktionen, um den Versprechen des Pariser Klimaabkommens annähernd gerecht zu werden. Damit aus den Zielen eine Realität wird, müssen weltweit ambitionierte Programme zur Dekarbonisierung unseres Lebens vollzogen und damit zum Kern der internationalen Kooperation werden. 

Ich plädiere dafür, diese Ambitionen als Leitplanken für die deutsche und europäische Außenpolitik aufzubauen. 

Mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Joe Biden gab es mehrere Nova in der Regierung der Vereinigten Staaten. Neben der ersten weiblichen Vize-Präsidenten Kamala Harris wurde mit John Kerry auch erstmalig ein Sonderbeauftragter für Klimaaußenpolitik ernannt. Die Biden-Administration hat Klimadiplomatie als eine Priorität ihrer politischen Agenda erklärt und bereits am ersten Tag den Wiedereintritt in das Pariser Abkommen umgesetzt. Die Klimaaußenpolitik der GroKo geht dahingehend nicht über Sonntagsreden und Mindestmaßnahmen, wie einer Zustimmung der Paris Ziele, hinaus. Auch die Verwaltung wird der wohl größten Herausforderung des 21. Jahrhunderts nicht gerecht. Im Auswärtigen Amt (AA) sowie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gibt es jeweils nur ein Referat, das sich mit ökologischen und klimapolitischen Fragestellungen befasst. Globale Klimagerechtigkeit und Transformationsunterstützung sind sicherlich wichtige Punkte der Klimaaußenpolitik, jedoch gibt es viele weitere Facetten, die einer übergeordnete Behandlung bedürfen. 

Der Klimawandel liegt beispielsweise schon längst im Fokus der internationalen Sicherheitspolitik, die wachsende Bedrohung für Mensch und Planet ist unübersehbar. Damit einhergehend werden Klimaveränderung und ökologische Katastrophen zusehends zu Push-Faktoren der internationalen Migration; in den nächsten Jahrzehnten werden sich vermutlich erste “Klimaflüchtlinge” aus der Sahel-Zone, dem Nahen Osten sowie von bedrohten Inselstaaten auf den Weg in eine sicherere – das heißt weniger stark vom Klimawandel betroffene – Umgebung machen. Daher sollte Klimapolitik noch stärker im außenpolitischen Ressort forciert und für die interdisziplinären Politikbereiche personell unterstützt werden. Neben den Staatsminister:innen für Europa (aktuell Michael Roth) und internationale Kulturpolitik (zur Zeit Michelle Müntefering) sollte es zukünftig eine entsprechende Rolle – nach amerikanischem Vorbild – für Klimaaußenpolitik geben. 

Auch auf europäischer Ebene muss es entsprechende Veränderungen geben. Die Europäische Union hat sich mit dem „European Green Deal“ im Dezember 2019 das Ziel gesetzt, der weltweit erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Hierfür müssen die Mitgliedstaaten ambitionierte innenpolitische Programme umsetzen (womit sich einige schwerer tun als andere) und im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie der EU-Handelspolitik richtige Maßnahmen einfädeln. Zweifelsfrei bedingt eine globale CO2-Reduktion eine Abkehr des ungezügelten Kapitalismus, der für die höchstmögliche Marge zu wirtschaften versucht. Eine am Gemeinwohl-orientierte Regulierung und sozial-ökologische Leitplanken sind daher unabdingbar. Ein gemeinsames Vorgehen bei der CO2-Bepreisung und faire internationale Wettbewerbsbedingungen sind wichtige erste Schritte.

Ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) ist in diesem Kontext eine spannende Idee. Dieser würde (in den am internationalen Handel mit der EU interessierten Ländern) lokale Klimaschutzmaßnahmen incentivieren und damit 1) den Klimawandel bremsen und 2) faire Wettbewerbsbedingungen schaffen, um etwa eine Abwanderung von energieintensiven Industrieunternehmen in weniger regulierte Regionen (Carbon Leakage) zu verhindern. Das in Brüssel aktuell in Ausarbeitung befindliche CBAM wäre, sofern sich mittelfristig eine Möglichkeit der Konformität mit der Welthandelsorganisation (WTO) finden lässt, eine performante Lösung. Zwischenzeitlich bietet sich auf diplomatischer Ebene die Bildung einer “Allianz der Willigen” im Sinne eines globalen “Klima-Klubs” für nachhaltige Handelspolitik an. Mit der Anerkennung gegenseitiger Standards durch internationale Einigungen könnte ein starker ökologischer Effekt und politischer Handlungsdruck auf weitere Akteure geschehen. Die Präsidentschaft von Biden und Harris bietet hierfür eine politische Steilvorlage. Ein gemeinsamer, transatlantischer Vorstoß könnte sich zur Blaupause des Multilateralismus entwickeln. 

Neben den handelspolitischen Überlegungen müssen auch entwicklungspolitische Herausforderungen zeitnah angegangen werden. Der globale Süden leidet immens unter den Klimaveränderungen, gleichzeitig bietet sich beispielsweise in Nordafrika ein hohes Potenzial zur Gewinnung von Solarenergie. Deutschland und seine europäischen Geschwister müssen gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteur:innen in den Partnerländern einen Transfer von klimafreundlichen Technologien sicherstellen. Wissenstransfer und erfolgreiches Benchmarking sind die Schlüssel, um die besten Ideen zu verbreiten. Das Beispiel Chile macht es vor: Das südamerikanische Land setzt die Energiewende nach der deutschen Blaupause erfolgreich um und erfährt weltweit Anerkennung. 

Die sozial-ökologische Transformation hat vor dem Hintergrund der wachsenden ökologischen Schäden auch eine sehr präventive Seite. Eine Situation wie im Regenwald Südamerikas, dessen Zerstörung eine der größten ökologischen Krisen weltweit ist, darf sich nicht fortsetzen. Während die Zerstörung des Amazonas politisch gewollt ist, brennen in Afrika Regenwälder ab, weil die Ressourcen zur Löschung der ständigen Feuer fehlen. Aus einer globalen Präventionsperspektive scheint daher auch eine internationale Einmischung notwendig: Neben den sanften Werkzeugen der diplomatischen Arena könnten im Rahmen eines VN-Einsatzes auch “Grünhelme” (im Sinne von Blauhelmen für ökologische Krisen) eingesetzt werden. 

Die Herausforderungen einer deutschen und europäischen Klimadiplomatie sind groß, zugleich steigt auch der Handlungsdruck für schnelle und effiziente Klimaschutzmaßnahmen. Dass die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ein neues Programm für die Schnittstelle von Klima- und Außenpolitik aufsetzt, ist ein wichtiges Signal für die deutsche Politik. Es wird Zeit, dass diese nun nachzieht. Mit dem Ausblick auf eine grüne Regierungsbeteiligung – und einer Besetzung des Außenpolitischen Ressorts oder gar des Kanzlerinnenamts – muss und wird Klimaaußenpolitik ein Schwerpunkt der nächsten Legislaturperiode sein. 

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